Wer verstünde besser als der, dem Gewalt angetan wird, welches ungeheure Ärgernis darin besteht, auf Qual, Foltern und Morden gerade nicht zu antworten mit Gegengewalt? Zum Skandal gerät ein solcher Entschluss, wenn die Möglichkeit zum Widerstand nicht nur gegeben ist, sondern angesichts der Macht, die zur Verfügung steht (als wirtschaftliche oder militärische Potenz, als moralische Autorität oder mittels purer Kraft), geradezu geboten. Wo immer von Gott die Rede ist, fehlt nicht das Beiwort „Herrschaft“, die als absolute gekennzeichnet wird, sobald in Frage steht, was es zu bedeuten hat, Gott genannt zu werden. Dieser Gott hängt nun am Kreuz, über ihn verhängt die brutalste Strafe des Römischen Reichs. Um ihn herum stehen Menschen, die nur darauf warten, verzweifelt oder wie die Spötter, die ihn provozieren, dass irgendetwas Überraschendes, Überwältigendes geschieht. Doch nichts dieser Art passiert. „Du Opfer!“ So riefen wohl heute die Zeugen, hätten sie denn Worte, und sagten in dieser Geste der Verachtung Tieferes, als sie wohl geahnt hätten. Die Situation ist unerträglich. Ein skandalon*, nennt es der erste Theologe, Paulus (1. Kor. 1, 18). Das, was unerträglich ist, aber zu ertragen, das ist das Wesen dessen, der verurteilt wurde wegen der Anmaßung, der von Gott Gesandte zu sein. Was könnte den Anspruch, es zu sein, deutlicher bestätigt haben als diese unermessliche Stärke: Unaushaltbares auszuhalten. Das andere Machtzeichen, auf das alle warteten und das manche erhofften, indes bleibt aus. So wird das Wort vom Kreuz zum Anstößigen für jene, die über es hinweggehen, und zum Anstoß für jene anderen, die sich betreffen lassen. Hier zeigt sich, wer die Menschen sind. Und hier will sich zeigen, wer Gott ist: der nämlich, dem Gewalt so zuwider ist, dass er von ihr keinen Gebrauch macht, um sie niederzuhalten, sondern der ihr die größte Kraft entgegensetzt, der sich am Ende keiner erwehren kann: eine Liebe, deren Wesen ist zu verzeihen.
* Ursprünglich stand der Ausdruck für den Auslöser in einer Falle