Tag: 19. Oktober 2021

Grenzgänge

Die Durchlässigkeit von Grenzen, die den Austausch von Gütern, Interessen oder Erlebnissen, kurz: die Kommunikation ermöglicht, verleitet nach dem Grad der Öffnung gelegentlich zur Annahme, nichts sei mehr zu beachten, weil verschwunden ist, was ehedem Widerstand bot. Mit dem Verlust des Grenzrespekts verliert aber auch ein Gut seinen Charakter, versiegen Interessen, verkümmern Erlebnisse. Grenzen sind „Sortiermaschinen“ (Steffen Mau), die durch die Regelung des Zugangs den Transaktionen Bestimmtheit verleihen. Was durch darf, wird wertvoll, weil anderem der Übertritt versagt ist. Eine Grenze gewährt Halt in dem Maße, wie sie Halt gebietet. Das gilt für Territorialgrenzen und die Grenzen des Anstands, für soziale Grenzen und die Grenzen des Wissens gleichermaßen: dass der Schmerz der Fremdheit die Bedingung darstellt für den Reichtum der Vielheit, die Demütigung durch Unzugänglichkeit eine Voraussetzung ist für das Glück der Unterscheidung.