In seinen Thesen zum vorherrschenden Zustand der Kirche vom 31. Oktober 1517 legte Luther den reformatorischen Fokus auf das Predigtwort, das den Hörer so anzusprechen habe, dass dieser von ihm ergriffen sein Leben ändert. (Thesen 35, 54, 92 – 95) Zu predigen, das sei das „höchste Amt“* in der Christenheit, eine Verantwortung, an der sich über die Fähigkeit, sinnvoll zu lehren und tröstlich zu ermahnen, alles entscheidet. So manche neureformatorische Idee dieser Tage, die sich in der Tradition der Kirchenrettung wähnt, verkennt hingegen die Radikalität der Sache und verniedlicht sie zu einer Form, die vor allem zeitgemäß und gefällig zu sein habe. Ohne die Zumutung, die im Zuspruch der Gottesrede steckt, verliert aber die Predigt ihren Anspruch, auch wenn sie noch so ansprechend formuliert ist.
* So Luther 1523 in seiner Schrift „Dass eine christliche Versammlung oder Gemeine das Recht oder Macht habe, alle Lehre zu urteilen und Lehrer zu berufen, ein- und abzusetzen, Grund und Ursach aus der Schrift“, Werke 2, 402: „So es doch das aller hohist ampt ist, …“