Das Netz hat Löcher

Eine wichtige Regel der digitalen Welt lautet: Je loser die Bindung, desto leichter die Vernetzung. Nur was keine allzu enge Beziehung besitzt, lässt sich über weltumgreifende Transaktionen in ein Verhältnis setzen. Der Zugang zu allem setzt voraus, dass der Besitz nichts gilt. Nicht mehr der substanzielle Charakter einer Sache ist entscheidend, aber ihr medialer. Das Geld mag als Inbegriff dieser Form beispielhaft gelten, die für sich nichts ist, indes für alles eingetauscht werden kann. Dieses Digitalgesetz ist gebildet nach dem Muster des logischen Grundsatzes von der umgekehrten Proportionalität zwischen Inhalt und Umfang eines Begriffs: Je größer die Reichweite einer Kategorie, desto geringer ihre Bestimmtheit. So sagt das „Buch“ über die Eigenart des Lesestoffs weniger aus als der „Taschenbuchkriminalroman“, ist allerdings auf sehr viel mehr Bände anwendbar. Und beide Muster bilden strukturell wiederum eine Voraussetzung ab, die den Menschen in seiner Entwicklungsgeschichte maßgeblich beeinflusst hat: Nur weil er sich irgendwann herausziehen konnte aus dem strengen Ausleseverfahren der Natur durch „Körperausschaltung“ (Paul Alsberg), weil er nicht unmittelbar auf das Reizsystem seiner Umwelt organisch reagieren musste, bedeutete ihm jede Flucht aus einem Konflikt auch einen Erfahrungsgewinn mit Ansprüchen aus anderen Umgebungen. Erst die Unabhängigkeit von spezifischen biologischen Systemen machte ihn fähig, sich allenthalben zu seinem Vorteil anzupassen. Die kulturelle Überlegenheit entsteht aus einer natürlichen Verlegenheit. Je schwächer das Talent zur unmittelbaren Antwort, desto größer die Freiheit.