Ganz und gar nicht

Aus dem noch ungeschriebenen Roman:
„Ich bin überhaupt nicht eitel“, sagte er von sich so überzeugt, dass sie Mühe hatte, nicht loszuprusten. Augenblicklich fiel ihr ein, was der Großmeister der Mode Karl Lagerfeld mal – sie meinte, es sei in einer Talkshow gewesen – in seiner atemlosen Art von sich gegeben hatte. Er machte nicht einmal eine Pause, um die Pointe wirken zu lassen: Wer eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren. Der Satz saß unter den vielen Sätzen, die gut passten, maßgeschneidert perfekt. Er blieb ihr knitterfrei im Gedächtnis hängen. Aber warum? Wenn sie recht überlegte, war sie noch nie mit einem Mann zusammen, der zuhause im Schlabberlook herumlief.
Bei ihm konnte sie sich das auch nicht vorstellen. Sie kannten sich ja noch gar nicht. Wie er sich in den eigenen vier Wänden gab, wusste sie nicht. Dennoch ahnte sie aus den wenigen Gesprächen, die sie bisher miteinander geführt hatten, dass sein Selbsterhaltungstrieb, und Eitelkeit ist eines der eindeutigen Kennzeichen, stark ausgeprägt ist. Er war charmant eitel, diskret selbstbewusst, was das genaue Gegenteil ist von eitlem Charme. Dem widersetzte sie sich stets, jenem war sie gerade dabei zu erliegen.
In ihren Gedanken verloren, die mal wieder abschweiften wie die Flaneure in der Stadt, hörte sie fern: „Hab ich was Falsches gesagt?“. Und sie schüttelte die Phantasien bedauernd ab. „Ja. Eben“, antwortete sie spontan.