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In letzter Instanz verurteilt der Richterspruch das Leben zu einer Eindeutigkeit, die es von sich aus nie finden kann. Warum? Damit es weiterlebt. Zur Wirklichkeit einer Existenz gehört nicht nur, dass sie faktisch auf viele Möglichkeiten verzichtet, anders zu sein. Sondern vor allem, dass sie sich entschließt, die ungezählten Auslegungsangebote abzulehnen, die ein zwangsbeschränkter und derart gekränkter Geist anbietet, sich jene Festgelegtheiten schönzureden. „Urteil“ – ob juristisch oder ästhetisch, sozial, logisch oder psychisch – heißt jene Interpretation, die sich gegen andere durchgesetzt hat. Das Urteil ist stets eine Machthandlung. Und, bei aller Begründung (die ins Unendliche tendiert), notwendig rhetorisch. Die Rhetorik ist der sprachliche Rettungsgriff für Fälle, in denen alles eine Auslegungssache ist – weil nur so beschlossen werden kann, was darum wirbt, jederzeit neu verstanden werden zu können.