Innenleben

Große Hotels – sie müssen nicht einmal Grand genannt werden – entwickeln hinter ihren Mauern ein Innenleben wie Klöster. Wer in sie eintritt, verlässt seine Realität und trifft dort auf Charaktere, die er sonst nur aus dem französischen Kino der Sechziger, Filmen des spanischen Regisseurs Almodóvar zu kennen meint, oder einer besseren Netflixserie, bunt, schrullig, überdreht, in vielem beschlagen und wohl auch ein wenig verschlagen. Man möchte diese Zufallsfremden grüßen als lose Bekannte des schönen Lebens und ahnt doch, dass jeder Übertritt ins Persönliche bestraft würde mit den immergleichen Geschichten, dem unerträglichen Smalltalk wild zusammengewürfelter Abendgesellschaften, dem hohlen Businessgeschwätz derer, die nichts interessiert als die Geschäfte, und in Wahrheit nicht einmal die. Solche Häuser sind stabile Stätten der Projektion, die beim Dinner nicht erst beginnt, das dekorativ serviert wird, als hätte es der berühmte Sternekoch komponiert, und zum Verlegenheitsflirt an der Bar nicht aufhört. Vollendet erscheint diese Parallelwelt, wenn selbst beim Verlassen des Orts, das sonst schnöde Check-out heißt, die poetische Form gewahrt und dem Reisenden vom Concierge das Angebot gemacht wird, noch ein paar Schritte Geleit zu geben bis zur Schwelle in die wirkliche Welt, die hier eine Drehtür ist, so dass selbst der Ausgang immer noch die tröstliche Gewissheit offeriert, dass es kurzfristig möglich ist zurückzukehren, einfach indem man weitergeht.