Ohne zu

Eschatologische Sätze behandeln Hoffnungen, deren Erfüllungswahrscheinlichkeit in so ferner Zukunft liegt, dass nicht erkennbar ist, ob sie eine Zukunft haben. Das vielleicht bekannteste unter diesen Worten stammt aus dem Testament und ist zum gesellschaftspolitischen Leitmotiv geworden. Beim Propheten Micha heißt es, dass die großen Völker „ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen“ werden. (Micha 4,3) Sie, diese Erwartungen, handeln von glücklichen Zeiten und unbekannten Orten, solange die Frage unterschwellig bleibt, wann und wo das denn sein werde. Und allesamt sind sie strukturiert nach der Logik des „ohne zu“: Schwerter sind zu gebrauchen, ohne Kriege zu führen, mit Spießen lässt sich arbeiten, ohne Streit zu säen. Solche Vorausnahmen, auch die am wenigsten offenkundigen, sind wichtig. „Ein Bewusstsein ohne Erwartung wäre ein solches, das aus absoluten Überraschungen bestände.“* Man muss sich nur im Klaren sein über die Qualität von Formeln dieser Art. Kritisieren, ohne zu verletzen; managen, ohne das Unternehmerische zu vergessen; aus einer politischen Gemeinschaft austreten, ohne deren Vorteile zu verlieren: das alles klingt zwar verheißungsvoll, ist aber so realitätsfremd wie das berühmte Waschen, ohne nass zu machen. Eschatologische Sätze taugen vielleicht als regulatives Ideal einer Handlung, nie aber als Handlungsanweisung.

* Hans Blumenberg, Phänomenologische Schriften 1981 – 1988, 411. Der Autor fügt hinzu: „Die Frage ist dann, ob und wie dies der Bestandsfähigkeit des Bewusstseins zusetzen würde.“