Sinneskonkurrenz

Die Art, wie Sinne ihre Reizbarkeit verarbeiten, kann sehr unterschiedlich ausfallen. So stört es erheblich, wenn im Ruheabteil der Bahn, dessen Zweck alle Mitreisenden offenkundig bestens verstanden haben, so dass sie die stillschweigenden Regeln einhalten, plötzlich ein Fahrgast eintritt und sein dampfendes Menü aus dem Schnellrestaurant auspackt. Die olfaktorische Qual kann das seltene Glückserlebnis ungehinderten Arbeitens mit einem Mal zunichte machen und irritiert mehr als ein Laut. Auch optische Beleidigungen können durch feinste Gerüche nicht aufgewogen werden, doch besser, als es umgekehrt der Fall wäre. Lärm wiederum mag die schönsten Orte grässlich erscheinen lassen. Die Phantasie hilft gelegentlich. Es ist leicht, sich Hässliches durch innere Bilder zu übermalen. Auch Geräusche lassen sich ausblenden. Wohingegen es fast unmöglich ist, sich an Gestank zu gewöhnen, der selbst dann noch präsent bleibt, wenn dessen Quelle längst verschwunden ist. Verblüffend ist, dass die Kombination von Mief, Krach und Dreck fast weniger befremdet, zumindest das Ärgernis nicht potenziert, als die Sinnesprovokationen es einzeln tun. Man könnte diese Verbindung fast schon stimmig nennen.