Ein Freund: „Ich habe zum Glauben gefunden. Und das erste, was ich gemacht habe: Ich bin aus der Kirche ausgetreten.“
Der Andere: „Diese Kirche verdient nicht einmal unseren Austritt. Damit straft man all die Kranken, Einsamen, Alten, Obdachlosen, um die sie sich mit ihren Hilfswerken kümmert. Und nicht zuletzt jene, die um der guten Sache willen in ihr geblieben sind, trotz des ungemessenen und unermesslichen Leids, das ihre Repräsentanten Menschen zufügen.“
Der Freund: „Wir sind uns einig, oder? Sie gehört abgeschafft, wobei sie das ja schon selber recht brillant hinbekommt. Verzeih mir meinen Zynismus. Oder sie muss sich erneuern, nicht als Institution, nicht als System, nicht als dogmatische Lehranstalt, sondern als … ehrlich, ich weiß nicht, als was.“
Der Andere: „Du sagt es im Grunde: Sie ist schon tot. Und nun treten viele nicht nur aus, sondern auch nach. Auf einen leblosen Körper, dessen Geist schon entwichen ist, der aber sonst noch wichtige Funktionen aufrechterhält. Um die geht es doch.“
Der Freund: „Sieh es doch mal so. Ich habe mir eine Frage gestellt: Würde ich in diese Kirche eintreten? Und die musste ich verneinen. Deswegen bin ich raus.“
Der Andere: Und das habe ich auch, Fragen gestellt. Zum Beispiel: Würde ich eine Kirche gründen, wenn es sie nicht gäbe? Also mit diesem Anspruch, dem Verzeihen einen höheren Stellenwert einzuräumen als dem Verurteilen. Oder: Was bliebe von ihr, wenn von ihr nichts mehr bliebe? Ich habe mir eine Welt gedacht, in der nicht die Kirche ohne mich auskommen muss, sondern ich ohne die Kirche.
Der Freund: „Super. Und?“
Der Andere: „Ich habe keine andere Antwort gefunden als die, dass mir etwas fehlte.“
Der Freund: „So geht es mir auch. Vor allem fehlt mir, dass diese Kirchenvertreter in ihrem Selbstrechtfertigungseifer zwar immer sagen, dass sie sich infrage gestellt sehen. Aber wie diese Frage ernsthaft lautet, habe ich nicht gehört. Da sind sie schon wieder im Antwortmodus. Und suchen nach Gründen. Und liefern Erklärungen. Und geloben Besserung. Und bekennen Einsicht. Und verstecken sich hinter Unwissenheit.“
Der Andere: „Darf ich dich daran erinnern, dass die beiden Testamente, die Grundtexte der Kirche, eingeklammert sind in zwei Fragen: Die erste steht am Anfang, im Schöpfungsbericht: Mensch, wo bist du? Warum hast du mich verlassen? Und die letzte steht am Ende, als Todesschrei des Gekreuzigten: Gott, wo bist du? Warum hast du mich verlassen? Jetzt wollen alle gehen. Ich bleibe. Vielleicht bleibt auch Gott.“