Leise Töne

In einer schrillen Welt haben die leisen Stimmen nur Aufmerksamkeit, wenn sie an sich so lautstark verzweifeln, dass sie besser und eindringlicher gehört werden als alles, was sonst voll tönt, wie es hohl ist. Wie kann das gelingen: den selbstgefälligen Posen in der Politik, dem allzu knalligen Image in der Wirtschaft, dem hysterischen Aufflackern von Egokampagnen, die sich als Gesellschaftskritik oder Verheißung ausgeben, mit Bedachtheit, gedanklicher Schärfe und Tiefe, mit diskreter Qualität so zu begegnen, dass es weder überhört wird noch gleich betulich wirkt? Nietzsches Hoffnung ist: „Die stillsten Worte sind es, welche den Sturm bringen. Gedanken, die mit Taubenfüßen kommen, lenken die Welt.“* Vermutlich muss diese Welt über sich selbst erst einmal wieder derart erschrecken, dass sie für einen gelähmten Augenblick heilsam verstummt.

*Also sprach Zarathustra, Die stillste Stunde