Zeitenfolge, kurz gesagt

Auch wenn ein fester Zeitpunkt den Beginn der „fünften Jahreszeit“ markiert, Karneval hebt an am 11. 11. um 11 Uhr 11, ein Datum, das schon beim Lesen schwindelig macht, sind die tollen Tage dennoch abhängig vom Termin des Aschermittwoch. Die Fastnacht orientiert sich an der Fastenzeit, die wiederum genau vierzig Tage vor Ostern einsetzt, das abhängig ist vom ersten Vollmond nach Frühlingsanfang. Schon im Mittelalter galt es vor der Phase kulinarischer Enthaltsamkeit alles rasch zu verzehren, was dann über Wochen verboten war zu essen, in der „Nacht“ vor dem Fasten, die inzwischen deutlich länger währt. So der kulturelle Ritus. Die psychologische Abfolge, die den anarchischen Augenblicken, in denen zwar nicht alles erlaubt ist, jedermann sich aber vieles meint erlauben zu können, danach mit einem strengen Ordnungsrahmen beendet, verkennt die tiefere Struktur. Es ist die Ahnung, am Leben zu scheitern, die sich im Rhythmus von Fastnacht, Fastenzeit und Ostern ein jahreszeitliches Dokument gibt: Erst kommt das Vergessen, das in der Reue sich eingesteht, nicht gelungen zu sein; dann rückt die Veränderung in den Vordergrund, die gestenreich der Reue vergeblich zu entsprechen versucht. Wie groß das Stückwerk in beidem ist, zeigt sich schließlich in der Feier der österlichen Verzeihung, die dem reumütigen Misslingen ein Moment von Entlastung und Erträglichkeit abringt.