Mit der Gen-Schere Crispr-Cas9, so unaussprechlich das Akronym, so ungeheuerlich die Anwendung, hat der Mensch die Fähigkeit erworben, nun auch sich selbst in seinen natürlichen Voraussetzungen ein für allemal verändern zu können. Ein Eingriff in die Keimbahn, die Ausschaltung von Defekten im Erbgut, das Design von Bauformen des Körpers, bedeutete einen prinzipiellen Einschnitt in der Entwicklungsgeschichte des Menschen. Er würde weitergegeben werden an die Folgegenerationen. Die ethischen Probleme, die sich aus diesem technischen Vermögen ergeben, sind so tiefgreifend, dass es schon schwierig ist, sie als Fragen recht zu formulieren, geschweige denn eine angemessene Antwort zu finden. In solchen weltüberfordernden und weltbewegenden Fällen, wie etwa auch der Zerstörungskraft von atomaren Sprengköpfen, fand stets das Moratorium seine Funktion, der vertraglich vereinbarte Aufschub als dezente Rechtsform, die die Aufgabe des einst so wichtigen Tabus übernommen hat, und die wechselseitige Abschreckung, balance of power genannt. Es sind letzte, vielleicht verzweifelte Akte, die aus der Einsicht geboren sind, dass die Macht der Zerstörung nicht mit der Macht einhergeht, zurückzunehmen, die alte Unschuld wiederherzustellen, nachdem die Waffen einmal erfunden waren. Das Schreckensszenario wirkt wie ein Verbot und hat bisher die Bildkraft besessen zu hindern, was nie geschehen darf. Was aber, wenn die Zerstörungsmacht der Gen-Schere ähnlich weitreichend ist, nur dass sie als Versprechen daherkommt, dem Menschen eine Zukunft frei von Krankheit oder Leiden zu gewähren, ihn lockt mit der Aussicht auf eine nie geahnte Verbesserung seiner Hirnleistungen, seiner Muskelkräfte, auf übermenschliche Fähigkeiten? Was, wenn in der Schöpfung, die nach alter Weise aus dem Nichts geschehen sei, dieses Nichts selber noch gegenwärtig ist? Und mit dem Maß dessen, was geschaffen werden könnte, mitwächst?