Der reziproke Grundsatz, der schon in den frühesten Zeugnissen der Religionen die Eigenschaft eines Handlungsgebots annimmt und der in der volksmundartlichen Variante gereimt lautet: „Was du nicht willst, das man dir tu’, das füg’ auch keinem andern zu“ – dieses ethische Prinzip lässt sich kaum ins Positive wenden, wenn man die Umkehrung der Perspektive wählt. Die Zumutung wäre zu groß, den anderen all das angedeihen zu lassen, was man von ihnen erwartet (und zurecht nicht ausspricht), das sie einem in schönster Zuneigung und größter Gunst gewähren mögen. Die Goldene Regel erinnert, und dabei sollte man es belassen, schlicht daran, wie sinnvoll es ist und wie gut es tut, sich gedanklich und emotional gelegentlich an die Stelle seines Mit- und Nebenmenschen zu bewegen.