Kategorie: Sprache

Symbolpolitik

Was kommt heraus, wenn man den metaphorischen Rest einer Wortwendung* auskehrt wie den in solchen Fällen bemühten Stall? Um im Bild zu bleiben: Mist.

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Mehrere Verständnisvorschläge:
1. Ude, der Mann für die klaren Ansagen. Schnörkellos, direkt, genau (wie es auf dem Plakat zur nächsten Landtagswahl in Bayern heißt). Er will sich unterscheiden von all den anderen Politikern, die doppelsinnig, zweideutig, janusköpfig reden. Ein Mann, ein Wort? Auch das sind schon zwei, der Mann und das Wort, und dazwischen passen immer Meinungsfreiheit, Überzeugungswechsel, Verbindlichkeitsunlust, Interpretationskunst. Sprache ist anders nicht zu haben, Worte sind nicht anders zu halten.
2. Ude, der Mann, der nicht alles bierernst nimmt. Als Münchener Oberbürgermeister mit dem Behördencharme eines Kommunalbeamten kann man ihn so beobachten bei der Eröffnung des Oktoberfests. Komisch, indes unfreiwillig. Doch der Wortwitz zieht es aus guten Gründen vor, sich zurückzuhalten bei festen Zusagen. Die vertragen nichts Doppelbödiges.
3. Ude, der Mann, auf den man sich verlassen kann. Hier wird die Probe aufs Exempel gemacht, und es kommt tatsächlich darauf an, dass man es genau nimmt. Nur: Was das Versprechen einlöst, ist kein Wort, sondern eine Tat. Sie ist die Rückseite einer verbindlichen Rede, das, was sich zeigt, wenn man das Wort gewendet hat.

* Auch „Wortwendung“ ist selbstverständlich ein Sprachbild; man stelle sich den Kandidaten für das Amt des bayerischen Ministerpräsidenten vor, der ein Wort wortwörtlich wendet.

I see a voice*

*Shakespeare, A Midsummer Night’s Dream V, 1

Goldman Holding, Frankfurt Osthafen

Goldman Holding, Frankfurt Osthafen

Mustergültig

Wie abstrakt das Phänomen digitaler Überwachung ist (und damit meist unterhalb der allgemeinen Erregungsschwelle), mag an den atavistischen Wörtern abzulesen sein, die wir in diesem Kontext benutzen. Wir zwingen uns in eine bildkräftige Vorstellung über Ausdrücke aus den seligen Zeiten sinnlicher Anschauung, die bei der Jagd geschärft wird: Abhören, Ausspähen, Geheimnisverrat, Ortung, Lauschangriff, Spuren. Mustererkennung hingegen, und um die geht es allein, ist ein Akt des schöpferischen Gehirns, eines Hochleistungsrechners, bei dem es auf Unterscheidungstalente ankommt, die durch möglichst viele Vergleiche Wiederholungen wahrnehmen und über diese Unwesentliches vom Symptomatischen sondern. Muster sind nicht offenkundig; sie müssen sichtbar gemacht werden. Je nach Vorgabe, können aus denselben Daten verschiedene Informationen geholt werden. Hier sind Frage und Antwort nicht selten einander so nah, dass die Suche schon bestimmt, was herauskommen wird.

Nein, danke

Mit routiniert guter Laune betritt die Zugbegleiterin am frühen Morgen das Abteil, ein Tablett in der Hand. Ob jemand einen heißen Kaffee wünsche? Kein Reisender antwortet, niemand hebt den Kopf zu einer kleinen Geste der Aufmerksamkeit. Die Ungerührtheit aller im Raum verschluckt die Frage und mit ihr das Lächeln der Schaffnerin. In einer Welt ungehemmter Kommunikation verschwindet das Nein. Warum sich mit einer Absage peinsam mühen, weshalb höfliches Bedauern artikulieren: Das Desinteresse schweigt einfach. Wer die falschen Fragen stellt, wird allein gelassen. Wo nur die Selbstmitteilung zählt, verkümmert das Gespräch. Selber schuld, wer auf eine Antwort wartet.

Hilfe !!!

Gegenüber sitzt die resolute Frau, das Notizbuch aufgeschlagen auf den Knien, am Ohr das Telefon, ganz Chefin. Man wird unfreiwillig zum Gesprächszeugen, wie so oft im Zug. Ob er denn in der Büroecke den Aktenordner ziehen könne. Darin fänden sich die Dokumente, die noch auszuwerten seien. Bis morgen. „Das wäre hilfreich“, ruft sie ihm hinterher im leicht drohenden Ton und legt auf, grußlos. Wie die Wörter sich doch wandeln. Was sonst nur freimütig für das schönste Angebot taugt, die diskrete Unterstützung, die der Rede kaum wert sein will, aber ihren Wert verliert, sobald sie eingefordert wird, ist zum billigen Leistungsmaßstab unter Kollegen entstellt worden. Zu Zeiten, da Kopfnoten dem Schulzeugnis vorangestellt waren, tauchte unter den Bemerkungen des Lehrers manchmal der Satz auf, der Schüler sei hilfsbereit, in geschätzter Erinnerung an Goethes Bildungsideal, wonach der Mensch sich unterscheide von allem andern dadurch, dass er edel sei und gut und zwischendurch auch hilfreich. Heute ist das Merkmal von der Person auf die Sache übertragen. „Hilfreich“ ist ein Beitrag, der ein Problem löst, eine weiterführende Diskussionsbemerkung, eine angehängte Abendschicht im Büro. Die Eigenschaft bezeichnet den reibungsverlustfreien Ablauf und fällt auf den Menschen nur noch insoweit zurück, als dieser den Prozess nicht stört. So eng ist die Hilfe in die Nähe einer Funktion gerückt, dass sie, die doch in der Handlung nie aufgeht, weil sie sich darüber hinaus immer als Haltung erweist, plötzlich zum schlichten Reflex verkommen ist, der widerspruchslos Anweisungen folgt.

Achselzucken

In welcher Sprache sagt man, dass man mit seinem Latein am Ende ist?